Wie spannend und interessant sich über eine Stadtmauer berichten lässt, deren wenige Überreste bereits in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts vollkommen verschwunden waren, zeigt Ulrich Neitzel am Beispiel seiner Heimatstadt Schlawe. Der Artikel, der in der Zeitschrift Pommern, Heft 3, 2001 erschienen ist, kann in seiner ungekürzten Fassung als Handout angefordert werden.
Genealogische Schriften f. Ostpommern Bericht I
Dr. Ulrich Neitzel: Über die Mauer der Stadt Schlawe; 8 Seiten DIN A4, zahlreiche farbige Abbildungen; Preis: 5 Euro, zuzügl. Porto und Verpackung.
Der Bau der Stadtmauer und die weitere Geschichte
Die Stadt Schlawe wurde 1317 nach lübischem Recht von den Swenzonen gegründet. Anfangs gab es, wie damals bei den Burgen üblich, zunächst einen Wall mit Graben und Palisadenzaun. Aber man kann davon ausgehen, daß der Mauerbau bald nach der Stadtgründung in Angriff genommen wurde. 1347 kam das Land Schlawe unter die Herrschaft des Herzogs von Pommern/Wolgast. Um 1350 herum wird der Bau abgeschlossen gewesen sein. Bei der Stadt Köslin, die bei der Gründung der Stadt Schlawe beteiligt war und 40 km westlich von ihr lag, gibt es über den Mauerbau genauere Angaben [13]. Köslin wurde 1266 gegründet und 1286 mit Planken eingehegt. 1292, also 26 Jahre nach der Gründung, begann man mit dem Bau der Ringmauer, die 2600 Schritt = 1950 Meter lang war und im Jahre 1310 fertig wurde. Dazu hatte man sieben Ziegeleien vor der Stadt angelegt. Bei der Stadt Bublitz, 50 km südwestlich von Schlawe gelegen, wissen wir ebenfalls etwas über den Mauerbau selber: die Stadt wurde 1340 gleichermaßen nach lübischem Recht gegründet. 1379 nahm sie zum Mauerbau von dem Nonnenkloster Köslin ein Darlehen auf. Gründung und Mauerbau liegen hier also 39 Jahre auseinander [13]. Würde man bei Schlawe den gleichen zeitlichen Abstand zugrunde legen, so käme man auf das Jahr 1359, im ersten Fall auf 1343. (Bublitz war übrigens 2/3 so groß wie Schlawe, was die Zahl der Einwohner betrifft). Für den Bau der Marienkirche in Schlawe wird die Zeit um 1350 angenommen [4]. Auch aus Gründen des Baustils erscheint es plausibel, daß Tore und Mauer um diese Zeit entstanden sind. Urkundlich erwähnt wird die Mauer erstmals im Jahre 1400 [14]. Ursprünglich gab es vier Tore, möglicherweise auch aus symmetrischen Gründen. Über drei Tore haben wir bereits einiges erfahren. Erste urkundliche Erwähnungen fanden sich in den Akten der Stadt [15]: 1453 Kösliner Tor: „buten deme Cusslinschen Dore“ 1456 wird ein Gefangenenturm erwähnt 1458 Stolper Tor: „Buten deme Stolpischem Dore“. Das vierte Tor im Westen der Stadt wird lediglich in den Schuldbüchern der Kirche und des Armenhauses um 1580 erwähnt und als Campf-Tor oder Camp-Tor bezeichnet (Campus = Feld). Mathias [14] meint, es könnte auf der Lubin’schen Karte „der Turm mit dem schlanken spitzen Helmdach mit vorgekragtem Wehrgang gewesen sein“. Auffallend ist dessen Baustil, der von dem des Kösliner und Stolper Tores doch erheblich abweicht. Das wirft auch die Frage auf, ob das Koppel-Tor schon von Anfang an in der Form der zwei Pfeiler existierte, oder ob hier vorher ein überdachtes Tor im ähnlichen Stil oder gar eines im Stil des Camp-Tores gestanden hat. Daß das Camp-Tor später nicht mehr vorhanden war, hat wahrscheinlich auch daran gelegen, daß es eigentlich kaum gebraucht wurde. Der Verkehr nach Westen in Richtung Ostsee wurde über das Stolper Tor und die Wald-Straße abgewickelt. Im Nahbereich gab es nur die niedrig gelegenen und häufig überschwemmten Wiesen um die Motze herum und keinerlei Besiedlung. Auch später gab es nur einen wichtigen durchgehenden Weg vom Kösliner Tor über den Lietzow-Damm und „Südlandsweg“ (eigentlich Siedland = niedriges Land) nach Waldheim und Waldhof, die erst im 18.Jahrhundert dauerhaft besiedelt wurden.
Das Koppeltor, auf der gegenüber liegenden Seite der Stadt, war dagegen schon ungleich wichtiger. Von hier aus führte der Weg über eine Brücke zur „Koppel“, einer Insel (Werder), die von Holzgraben, Motze und Wipper gebildet wurde, und wo sich seit undenklichen Zeiten Holzlager- und Handels-Plätze befanden. Hier mußte alles Holz, das die Wipper und den Holzgraben hinuntergeflößt wurde, für zwei Tage zwischengelagert und zum Verkauf angeboten werden, bevor es nach Rügenwalde weitergeflößt werden durfte. übrigens soll auch der Holzgraben, der ja die Mauer im Osten begrenzte, um 1350 „in harter Fronarbeit im Auftrag des Herzogs von Pommern von den Bürgern der Stadt geschaffen worden sein“. Dies wird durch eine Akte vom 16.6.1752 bestätigt, in der es wörtlich heißt: „..vor vierhundert Jahren wurde der Canal gegraben..“ [16].
An der Nordostecke der Stadt lag ein besonderer neuralgischer und anfälliger Punkt der Mauer. Hier wurde das Wasser des Holzgrabens über ein Wehr gestaut und durch die Mauer auf die Mühlenräder und unterhalb des Wehres wieder zurück in den Holzgraben, bzw. in die Motze geleitet. Die Wassermühle befand sich also innerhalb der Mauern. Die Mühle war ursprünglich herzoglicher Besitz und wurde vom Rügenwalder Amt verwaltet. Das allein war wohl der Stadt Schlawe schon ein Dorn im Auge. So gab es immer wieder Streit, wer wohl für den Erhalt dieses Teils der Mauer zuständig sei. Dieser Streit zog sich jahrelang hin. In einem Brief vom 10.9.1709 von Hauptmann und Beamten der Stadt Rügenwalde an den Bürgermeister von Schlawe und an die Obrigkeit beschwert man sich, daß sie „.. uns aufbürden wollen, ein Ende ihrer Stadtmauer von etwa 9 Ruthen (= 34 m) land zwischen den beiden Schwibbögen, worunter der Mühlengraben auf der Schlawer Mühle von dem Wipperfluß abgeleitet wird und seinen Gang wieder unter der Mauer nach der Wipper nehmen muß, .. zu reparieren …“[17]. Hier wird der Sachverhalt eindeutig beschrieben und urkundlich niedergelegt. In einem späteren Schreiben vom 20.8.1712 kommt der strikte Befehl im Namen des Königs, über den „Cantzler und Regierungsräther“ in Stargard: „..zu repariren, ob nun wohl der Mühlen Inspector protestirt..“. In diesem Falle mußte die Stadt die Reparatur übernehmen. Die Kosten wollte man aber auch in diesem Fall nicht tragen. Mit 52 Unterschriften wehrte man sich hartnäckig dagegen. Wie diese Sache letztendlich ausgegangen ist, wird aus den Akten nicht eindeutig klar.
Man fragt sich natürlich, warum die Mauer auch Ende des 19. Jahrhundert noch repariert, ja in großen Teilen wieder neu hergestellt wurde, und welchen Sinn und Zweck die Mauer überhaupt noch hatte. Dies wurde in dem Augenblick klar, als man denjenigen suchte, der dieses Projekt finanzieren sollte. Die Stadt Schlawe war derzeit dazu nicht in der Lage; die Schulden waren ohnehin schon sehr hoch.
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