Am 05.05.2001 erschien in der Pommerschen Zeitung der Artikel über die Brandstiftung in Karnkewitz im Jahre 1801 „Versunken im Flammenmeer“.
Vor 200 Jahren: Der große Brand von Karnkewitz
Die Dorfschaften Hinterpommerns wurden in der Vergangenheit oftmals von Tragödien heimgesucht, die über Jahrzehnte, manchmal über Generationen hinweg im Gedächtnis der Bevölkerung verblieben. Eines dieser Ereignisse betraf das Dorf Karnkewitz im Kreis Schlawe und jährt sich in diesen Tagen zum zweihundertsten mal. Die Ereignisse, Hintergründe und Folgen des Karnkewitzer Großbrandes von 1801 haben auch in unserer Zeit nichts von ihrer Faszination verloren. Aus den Berichten des Heimatforschers Karl Rosenow (1873-1958) und den Aufzeichnungen der Chronistin Elisabeth Kühl geb. Krockow (1840-1931) lassen sich die folgenden Zusammenhänge rekonstruieren.
Gegen Ende des 18. Jahrhunderts zählte das Dorf Karnkewitz, welches zum Kirchspiel Abtshagen gehörte, etwa 170 Einwohner. Neben dem Schulzen Peter Karsten gab es 9 Bauern, 6 Büdner, den Küster Schwartz, den Unterförster Richter sowie 1 Schulzen- und 1 Hirtenkaten. Damit war Karnkewitz eines der kleinsten ehemaligen Abteidörfer des Amtes Rügenwalde.
In den Jahrzehnten nach dem 7-jährigen Krieg erlebte man hier – wie vielerorts in Pommern – eine Verbesserung der wirtschaftlichen Lage. Die Errichtung von 8 Kolonistenkaten im Kirchspiel Abtshagen im Jahre 1776 sowie das Ablassen des Karnkewitzer Sees und die Schaffung neuer Äcker und Wiesen trugen in erster Linie dazu bei, dass sich in Landwirtschaft und Handwerk ein zaghafter Wohlstand entfalten konnte. Erst als die Kriegswirren von 1806/07 auch das Rügenwalder Amt trafen, wurde die Phase des „wirtschaftlichen Aufschwungs“ beendet. Die Einwohner von Karnkewitz verloren allerdings einige Jahre zuvor den Großteil ihrer Habe, als ihr Dorf dem wohl größten Feuer ihrer Geschichte zum Opfer fiel.
Bereits im Jahre 1796 war Karnkewitz in einer Sommernacht fast vollständig niedergebrannt. Wie durch ein Wunder war damals niemand verletzt worden. Dies wiederholte sich jedoch nicht, als das gleiche Schicksal fünf Jahre später den Ort wieder ereilte.
In der Nacht des 7. Mai 1801 hatte sich – von allen Dorfbewohnern unbemerkt – eine dunkle Gestalt ins Dorf und zum Hofe des Bauern Jacob Pieper geschlichen. Schnell gelang sein Vorhaben, die niedrigen Strohdächer des Wohnhauses zu entzünden. Rasant und gierig dehnten sich die Flammen über die Dächer aus, sprangen schnell von Hof zu Hof. Begünstigt von den stürmischen Winden dieser Nacht und der Bausubstanz der alten Rauchhäuser blieb jeder Löschversuch ein sinnloses Unterfangen. Karnkewitz versank in einem glühenden Flammenmeer.
Als der Bauer Jacob Pieper erwachte, brannte bereits das ganze Wohnhaus seines Hofes. Es gelang ihm noch, die Familie ins Freie zu schaffen. Bei dem Versuch jedoch seine kleine zweijährige Tochter zu retten, stürzte über ihm das Haus zusammen. Begraben unter den Trümmern fanden beide ihr trauriges Ende.
Am nächsten Morgen offenbarte sich den Dorfbewohnern das Ausmaß des Feuers. Sämtliche Höfe, Kirche, Küsterei und Försterei waren niedergebrannt. Nur die beiden Katen am Ufer des Sees waren unversehrt geblieben. Nicht allein die Ursache des Dorfbrandes war schnell erkannt, auch der Brandstifter und „Mordbrenner“ selbst war bald gefasst. Durch unvorsichtige Äußerungen sich selbst verraten, war der 57jährige Herumtreiber Jacob Geske aus Rußhagen ergriffen und zu seiner Verhörung auf das Schloss in Rügenwalde abgeführt worden. Im Verlauf der nachfolgenden Untersuchung beschrieb er ohne jede Reue von dieser und von anderen Taten. In Karnkewitz habe er sich einmal einen großen Brand ansehen wollen. Nachdem er das Feuer an drei Stellen des Dorfes entzündet hatte, habe er unter der Brücke über den Seekanal gesessen und den Flammen zugesehen. Besonderen Spaß bereitete ihm der Anblick, „wie die Bauernweiber und Kinder in bloßen Hemden umhergesprungen seien“. Entsetzt von der abscheulichen Tat und der unglaublichen Rohheit des Brandstifters, konnte das Gericht nur ein angemessenes Urteil finden. Am 2. Juli 1802 wurde das Urteil des Feuertodes auf dem Hügel vor dem Dorfe Karnkewitz vollstreckt.
Dieses Ereignis fand aufgrund seiner Hintergründe derart viel Beachtung, dass Tausende von Menschen kamen, dieses Schauspiel zu sehen. Später errichtete man zur Erinnerung einen hohen Pfahl, der als „Brandpfahl von Karnkewitz“ bekannt wurde. Die Hinrichtung des Jacob Geskes gilt heute als die letzte Verbrennung in Pommern.
In dem Dorf Karnkewitz konnten die materiellen Schäden der Brandnacht dank prominenter Unterstützung schnell behoben werden. Der Abtshagener Pastor Joachim Gottfried Backe (Amtszeit 1787-1833) erließ einen bewegten Aufruf zur Unterstützung der Abgebrannten, wodurch ein beträchtlicher Betrag zusammenkam. Auch der König in Berlin bewilligte eine Landeskollekte für die „Karnkewitzer Leute“, mit deren Hilfe Kirche und Küsterei wieder aufgebaut werden konnten. Die Kirche wurde 1803 als einfaches Fachwerkgebäude mit hölzernem Glockentürmchen von dem Zimmermann Martin Karsten und dem Maurer Lüttke erbaut. Im Jahre 1805 erfolgte der Aufbau des Küster- und Schulhauses.
Und die Familie Pieper? Durch den Verlust des Familienvaters und des Kleinkindes war sie natürlich von allen Bewohnern am schwersten betroffen gewesen. Ihren Schmerz können wir leicht vermuten, aber weitere Einzelheiten sind auf den ersten Blick nicht überliefert.
In den Praestations- und Mühlenlisten des Rügenwalder Amtes, welche die Arbeitsgemeinschaft „Orts- und Familienforschung Schlawe“ in Kürze veröffentlichen wird, lässt sich hierauf eine Antwort finden. Zwar bleibt von dem menschlichen Leid und Elend in den nüchternen Einwohnerlisten kein Zeugnis, wohl aber davon, was aus Hof und Familie wurde. Einer der Karnkewitzer Bauern in der Zeit der Wende zum 19. Jahrhundert war der etwa 40jährige Jacob Pieper. Dieser hatte den Hof in den 1780er Jahren von seinem zuvor verstorbenen Vater Jochim Pieper übernommen. Neben ihm und seiner Frau lebten im Jahre 1801 vermutlich 1 Sohn, 5 Töchter (keines der Kinder war älter als 12 Jahre), 3 Bedienstete sowie die alte Mutter des Wirts auf diesem Hof.
Nachdem der Bauer und Hofbesitzer Jacob Pieper nebst seinem Töchterchen in den Flammen und unter den Trümmern seines Hauses umgekommen war, hieß es für seine Witwe und die überlebenden Kinder den Wiederaufbau und Neubeginn zu wagen. Dies geschah nicht zuletzt dadurch, dass die Pieper´sche Witwe erneut heiratete und somit der Bauer Peter Schultz den Hof übernahm. Seine Nachkommen hatten den Hof bis 1945 inne. Ob sie später noch zu erzählen gewusst hatten, aufgrund welcher Umstände ihr Vorfahre hier ansässig wurde?
Die Brandstiftung von Karnkewitz jedenfalls blieb über viele Jahrzehnte hinweg in der Erinnerung der Menschen des Rügenwalder Amtes erhalten. Der Brandpfahl vor den Hügeln des Dorfes setzte den Ereignissen von 1801/02 ein Denkmal, vor allem den Opfern Jacob Pieper und seinem Töchterchen.
Mathias Sielaff